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Studio Ghibli

Durch das Studio Ghibli wurden Animes auch außerhalb Japans salonfähig. Auf dieser Seite möchte ich euch das herausragende Studio sowie eine Auswahl der wichtigsten Filme näher vorstellen. Zudem gehört ein Abschnitt dem World Masterpiece Theater, wo die großen Ghibli-Regisseure Hayao Miyazaki und Isao Takahata ihre Karriere begannen.


Studio Ghibli - Eine Einführung

Die Geschichte des Studio Ghibli reicht zurück bis ins Jahr 1984. Damals kam der Film Nausicaä aus dem Tal der Winde in die japanischen Kinos - ein knapp 2-stündiger Anime, der unter der Regie von Hayao Miyazaki nach dessen eigenem Manga entstand. Besagter Manga kam 2001 bei Carlsen übrigens auch auf Deutsch heraus. Nausicaä wurde noch von dem Studio Topcraft produzierte, doch der große Erfolg des Films ermöglichte die Gründung des Studio Ghibli, das Hayao Miyazaki von Beginn an zusammen mit Isao Takahata leitete.

Screenshot aus Nausicaä aus dem Tal der Winde
Startschuss: Der Erfolg von Hayao Miyazakis Öko-Drama Nausicaä aus dem Tal der Winde ermöglichte die Gründung des Studio Ghibli. Die westliche Fassung wurde damals sehr sinnentstellend umgesetzt.

Auch Isao Takahata war zu diesem Zeitpunkt kein Unbekannter im Anime-Geschäft. Er hatte bereits in den 70er Jahren bei vielen namhaften Serien von Nippon Animation Regie geführt, darunter nicht nur der Dauerbrenner Heidi, sondern auch Niklaas, der Junge aus Flandern, Marco oder Anne mit den roten Haaren. Und zu seinen Filmen aus der Vor-Ghibli-Zeit zählt beispielsweise Goshu, der Cellist.

Der Name "Ghibli" stammt aus dem Arabischen und bedeutet so viel wie "heißer Wüstenwind". Im Zweiten Weltkrieg gab es allerdings auch einen italienischen Flugzeugtyp, der den Namen Ghibli trug. Hayao Miyazaki war sehr an Luftfahrt interessiert, was daher kommen könnte, dass sein Vater ein Flugzeugunternehmer war. Daher kannte Miyazaki das Wort "Ghibli" und wählte es als Namen für sein Studio aus, um so zu bedeuten, dass er frischen Wind in die Anime-Branche bringen wollte - und das ist ihm gelungen! Tatsächlich ist Hayao Miyazaki bislang der einzige Anime-Regisseur, der den Oscar für den besten animierten Spielfilm entgegen nehmen durfte (2003 für Chihiros Reise ins Zauberland), aber so weit sind wir noch nicht.

Screenshot aus Das Schloss im Himmel
Endlich auf Laputa: Das Schloss im Himmel war der erste richtige Ghibli und drehte sich, wie so viele Miyazaki-Filme nach ihm, ums Fliegen.

Der erste Film aus dem Studio Ghibli kam 1986 in die japanischen Kinos: Das Schloss im Himmel, auch bekannt unter dem internationalen Titel Laputa - so heißt eine fliegende Insel, die im Mittelpunkt der Handlung steht. Dies ist der erste von vielen Filmen, die unter der Regie von Hayao Miyazaki entstanden, die sich um das Fliegen drehen. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Waise Sheeta, die ursprünglich von Laputa stammt, das aber nicht mehr weiß. Sie besitzt aber einen magischen Edelstein, der den Schlüssel zu Laputa darstellt, und wird deswegen sowohl von der Regierung als auch von Luftpiraten gejagt. Unterdessen freundet sich Sheeta mit dem ebenfalls elternlosen Pazu an und macht sich zusammen mit ihm auf eigene Faust auf die Suche nach Laputa.

1988 folgte ein weiterer Wendepunkt in der Geschichte des Studio Ghibli. In diesem Jahr kam nämlich Mein Nachbar Totoro ins Kino, ebenfalls eine Produktion von Hayao Miyazaki. Man traute dem Film aber offenbar nicht viel zu, da er nur im Doppelprogramm zusammen mit Isao Takahatas Die letzten Glühwürmchen gezeigt wurde - zwei Filme, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten! Mein Nachbar Totoro ist nämlich ein lustiger Kinderfilm, Die letzten Glühwürmchen hingegen ein trauriges Antikriegsdrama, das seine deutsche Altersfreigabe von FSK 6 definitiv nicht verdient hat! Klar ist es ein guter und tiefgründiger Film, aber eben nichts für Kinder. Wie auch immer: Die Erwartungen trafen genau umgekehrt ein, denn anstatt Die letzten Glühwürmchen wurde Mein Nachbar Totoro der große Erfolg. Das Titellied Sampo ist heute eins der bekanntesten Kinderlieder Japans, und Totoro selbst wurde zum Maskottchen des Studios und ist auch im Logo zu sehen.

Screenshot aus Die letzten Glühwürmchen (1)   Screenshot aus Die letzten Glühwürmchen (2)
Meisterwerk: Das wunderschöne, aber auch todtraurige Antikriegsdrama Die letzten Glühwürmchen lief im Doppelprogramm mit dem lustigen Kinderfilm Mein Nachbar Totoro - zwei Filme, unterschiedlich wie Tag und Nacht!

In den kommenden Jahren folgten weitere große Klassiker, etwa Kikis kleiner Lieferservice oder Pom Poko, doch deren Erfolg beschränkte sich auf Japan, da die Filme in der westlichen Welt nicht vermarktet wurden. Das Studio Ghibli verkaufte nämlich lange Zeit keine Lizenzen mehr ins Ausland, nachdem die USA Nausicaä aus dem Tal der Winde um über 20 Minuten gekürzt und völlig sinnentstellend synchronisiert hatten. Diese verstümmelte Fassung kam 1986 unter dem Titel Die Sternenkrieger auch nach Deutschland, hat aber mit dem ursprünglichen japanischen Öko-Drama kaum noch etwas gemeinsam. In den Genuss des Originals kamen wir erst 2005, als nach und nach alle alten Ghiblis endlich synchronisiert wurden.

Der erste Ghibli nach Die Sternenkrieger, der es nach Deutschland schaffte, war 1998 Prinzessin Mononoke, der damals aber eher ein Geheimtipp war. Der Film debütierte zunächst auf Japanisch mit deutschen Untertiteln auf der Berlinale, eine synchronisierte Fassung kam drei Jahre später in eine Handvoll kleiner Programmkinos. Anders sah es bei Chihiros Reise ins Zauberland aus, der nach seinem Oscar-Erfolg im Juni 2003 in allen großen deutschen Kinos startete. Da Deutschland sowieso aufgrund von Pokémon, Dragon Ball Z und Co. gerade im Anime-Fieber war, wurden in der Folge alle alten Ghiblis nachträglich lizenziert und Stück für Stück synchronisiert. Die meisten von ihnen erschienen lediglich auf DVD, aber Das Schloss im Himmel erhielt sogar im Sommer 2006, 20 Jahre nach seiner Japan-Premiere, doch noch einen deutschen Kinostart. Und auch, wenn der Anime-Wahn in Deutschland inzwischen wieder deutlich abgeflaut ist, so können wir uns doch glücklicherweise immer noch darauf verlassen, dass jeder neue Ghibli ins Kino kommt - sei es Hayao Miyazakis Fantasy-Meisterwerk Das wandelnde Schloss im Jahr 2005 oder der Kinderfilm Ponyo um das gleichnamige Goldfisch-Mädchen im Jahr 2008, der oft als japanische Antwort auf Findet Nemo angesehen wird, obwohl es abgesehen vom Fisch-Thema keine nennenswerten Gemeinsamkeiten gibt. Dennoch ist bekannt, dass Hayao Miyazaki und Pixar-Legende John Lasseter gute Freunde sind. Nicht ohne Grund taucht in Toy Story 3 ein knuddeliger Plüsch-Totoro auf!

 

Screenshot aus Wie der Wind sich hebt

Abflug: Hayao Miyazakis letzter Film Wie der Wind sich hebt erzählt die Lebensgeschichte des Flugzeugkonstrukteurs Jiro Horikoshi.

Screenshot aus Ronja Räbertochter

Erste Fernsehserie: Sanzoku no Musume Ronia basiert auf dem Roman Ronja Räubertochter von Astrid Lindgren (Pippi Langstrumpf).

 

Jetzt ist der Nachschub an neuen Ghiblis allerdings erstmal auf unbestimmte Zeit versiegt. Im Juni 2014 kam mit Wie der Wind sich hebt der Abschlussfilm von Hayao Miyazaki in die deutschen Kinos, nach dem die Anime-Legende sich als Regisseur zur Ruhe gesetzt hat. In seinem letzten Film hat Miyazaki seine Luftfahrt-Leidenschaft noch einmal in vollem Umfang ausgelebt und präsentierte uns eine spannende Biografie-Verfilmung des japanischen Flugzeugkonstrukteurs Jiro Horikoshi, der in den 20er Jahren lebte. Im November 2014 startete dann Die Legende von Prinzessin Kaguya von Isao Takahata, der auf dem japanischen Märchen Taketori Monogatari basiert und im Stil alter japanischer Gemälde gezeichnet ist. Zuletzt stand noch Erinnerungen an Marnie an (deutscher DVD-Start: 11. März 2016), aber dann war erstmal Schluss, denn das Studio Ghibli hat bekannt gegeben, zunächst keine neuen Filme mehr zu produzieren, um sich nach Miyazakis Weggang neu zu strukturieren. Das ist möglicherweise der richtige Schritt und eine bessere Alternative, als wenn wir uns vorstellen, dass jetzt ein Flop nach dem anderen veröffentlicht werden könnte.

Dennoch, ganz auf Ghibli verzichten mussten die Japaner nach dieser Ankündigung nicht. Im Oktober 2014 ist mit Sanzoku no Musume Ronia die erste Fernsehserie aus dem Studio Ghibli gestartet. Diese basiert auf Astrid Lindgrens Roman Ronja Räubertochter - eine Tatsache, die eine deutsche Ausstrahlung durchaus realistisch erscheinen lässt, wenn man bedenkt, dass Astrid Lindgren auch den ZDF-Dauerbrenner Pippi Langstrumpf geschrieben hat. Angekündigt ist bislang aber noch nichts.


Mein Nachbar Totoro

Totoro ist ein freundlicher Waldgeist und das Maskottchen des Studio Ghibli. Dabei war der Erfolg - wie in so vielen Fällen - zu Beginn gar nicht geplant! Im Gegenteil: Das Studio sah Mein Nachbar Totoro als hohes finanzielles Risiko an. Um das Risiko etwas abzufedern, wurde der Film gar nicht einzeln im Kino gezeigt, stattdessen lief er nur im Doppelpack mit dem Antikriegsdrama Die letzten Glühwürmchen. Japanstart der beiden Filme war der 16. April 1988.

Worum genau geht es aber? Die beiden jungen Mädchen Mei und Satsuki ziehen mit ihrem Vater in ein alleinstehendes Haus im ländlichen Japan, wo es nur wenig Nachbarschaft gibt, wo der Vater aber die nötige Ruhe für seine Arbeit findet. Die Mutter liegt unterdessen im Krankenhaus und erholt sich von einer Grippe. Da der Vater arbeitet und die schon etwas ältere Satsuki zur Schule muss, geht die kleine Mei auf Entdeckungsreise und trifft unter einem riesigen Baum nahe des Hauses den Waldgeist Totoro, der wie eine Mischung aus Katze und Bär aussieht und trotz seiner Größe einfach nur knuddelig ist. Mei weiht Satsuki in ihr Geheimnis ein, und die Mädchen treffen Totoro in den nächsten Tagen noch öfter - sehr bekannt und oft parodiert ist eine Szene, in der Mei und Satsuki zusammen mit Totoro an der Bushaltestelle warten. Bei dieser Gelegenheit lernen die Mädchen auch den kultigen Katzenbus kennen - ein Bus, der in eine lebende Riesenkatze eingebaut ist, anders kann man das nicht beschreiben!

Screenshot aus Mein Nachbar Totoro
Warten im Regen: Die Sequenz, in der Mei und Satsuki an der Bushaltestelle auf Totoro treffen, gehört zu den bekanntesten Szenen des Films.

So wunderschön und niedlich der Film aber ist, so wenig passiert auch darin. Ein geringer Spannungsbogen baut sich erst zum Schluss auf, als die Meldung reinkommt, dass die Mutter noch länger im Krankenhaus bleiben muss. Daraufhin bricht Mei auf eigene Faust zur Klinik auf und verirrt sich unterwegs. Satsuki alarmiert daraufhin Totoro und den Katzenbus, die ihr helfen, Mei zu suchen. Und in Anbetracht der Tatsache, dass Mein Nachbar Totoro sogar in Japan als Kinderfilm zählt, können wir auch guten Gewissens spoilern, dass die Suche erfolgreich ist.

In Japan gewann Mein Nachbar Totoro viele Preise, z.B. die Auszeichnung "Bester Film" im Mainichi Eiga Concours sowie den Ofuji-Noburo-Preis. In Deutschland ließ der Erfolg allerdings auf sich warten, denn der Film brauchte fast 20 Jahre, um zu uns zu kommen. Am 4. Mai 2007 feierte er seine Deutschland-Premiere als Family Cartoon auf Super RTL - immerhin in der Primetime um 20:15 Uhr, was für Animes ja leider nicht selbstverständlich ist. Ein knappes halbes Jahr später veröffentlichte Universum die DVD. Und dann, 2014, als kaum noch jemand damit rechnete, folgte doch noch der deutsche Kinostart: Der Film lief im Spätsommer und Herbst des Jahres in einer Handvoll Kinos im Rahmen des Studio-Ghibli-Film-Festivals.

Japan ist da natürlich schon wieder einen Schritt weiter. Dort gibt es seit 2001 ein Studio-Ghibli-Museum, und im Rahmen von dessen Ausstellungen werden einige exklusive Kurzfilme gezeigt. Einer davon heißt Mei to Konekobasu (auf Deutsch ungefährt Mei und der Kätzchenbus), ist nur 13 Minuten lang und erzählt von Meis neuen Abenteuern - zunächst mit einem winzigen knuddeligen Baby-Katzenbus, der in ihr Zimmer gekommen ist, und später auch mit dem gigantischen Cat Liner (eine Art Katzenraumschiff), den sie im Wald findet. Leider hat man es bei Universum versäumt, diesen Film mit ins Bonusmaterial der Totoro-DVD zu packen, dabei hätte er sich sooo gut angeboten.

Regie bei Mein Nachbar Totoro führte übrigens Hayao Miyazaki, und später in Mei und der Kätzchenbus sprach der Meister persönlich den Cat Liner. Die Musik stammt, wie bei den meisten Ghiblis, von Joe Hisaishi. Der Titelsong Sampo und das Ending Tonari no Totoro wurden von Azumi Inoue gesungen, und beide zählen heute zu den bekanntesten Kinderliedern Japans.


Chihiros Reise ins Zauberland

Hayao Miyazakis modernes Märchen Chihiros Reise ins Zauberland ist ein ganz besonderer Anime. Es ist bisher nämlich der einzige japanische Zeichentrickfilm, der sich den Oscar in der Kategorie "Bester Animationsfilm" sichern konnte - das war im Jahr 2003, und die Konkurrenz bestand in dem Jahr immerhin aus zwei Disney-Filmen (Der Schatzplanet und Lilo und Stitch) sowie Ice Age. Reife Leistung!

In Japan kam der Film allerdings bereits zwei Jahre früher, am 20. Juli 2001, in die Kinos, und spielte dort fast 230 Millionen Dollar ein - weitere 100 Millionen spülte später der Rest der Welt in die Kasse. In der IMDb Top 250 der besten Filme aller Zeiten findet sich Chihiro auf Platz 29 und ist damit der am besten platzierte Zeichentrickfilm - der zweitbeste Zeichentrickfilm ist dann übrigens Disney's Der König der Löwen auf Platz 52 (Stand: 12.03.2016).

Screenshot aus Chihiros Reise ins Zauberland
Verirrt im Geisterpark: Haku nimmt Chihiro unter seine Fittichi, doch auch er trägt ein großes Geheimnis in sich.

Die Handlung des Films erzählt, wie gesagt, ein modernes Märchen, wobei dieses allerdings nur bedingt für Kinder geeignet ist, daran ändert auch die unsinnige deutsche FSK-Freigabe "ohne Altersbeschränkung" nichts. Chihiro ist mit ihren Eltern unterwegs zu ihrem neuen Haus (sie ziehen nämlich gerade um), doch sie verfahren sich und kommen so zu einem verlassenen Vergnügungspark - glauben sie! Da sie noch ein wenig Zeit haben, gehen sie ein paar Schritte weit hinein und stoßen auf Stände, an denen frisches Essen angeboten wird, eine Bedienung ist allerdings nirgends zu entdecken. Chihiros Eltern nehmen Platz und beginnen, sich den Wanst voll zu schlagen - irgendwer, bei dem man bezahlen kann, wird schon noch auftauchen, meint der Vater. Chihiro will die Speisen ungeklärter Herkunft allerdings nicht anrühren und läuft stattdessen weiter, bis sie den geheimnisvollen Haku trifft. Dieser erklärt ihr, dass der Park mitnichten verlassen, sondern vielmehr in der Hand von Geistern ist, und da wird es auch schon dämmerig und die ersten Schattenwesen tauchen auf. Chihiro rennt zurück zu ihren Eltern und stellt schockiert fest, dass sich diese in Schweine verwandelt haben. Haku verschafft Chihiro daraufhin einen Job in einem nahe gelegenen Badehaus für Götter, das von der Hexe Yubaba geleitet wird. Dort kann sie arbeiten, bis sie einen Weg findet, ihre Eltern zurück zu verwandeln. Doch noch ahnt Chihiro nicht, dass auch Haku ein großes Geheimnis in sich trägt ...

Ein Detail der Handlung kommt in der deutschen Fassung leider nicht so gut heraus: Yubaba neigt dazu, ihren Angestellten einen neuen Namen zu geben, so wird Chihiro zu Sen - und von Haku erfährt Sen, dass sie niemals vergessen darf, dass sie ursprünglich Chihiro war. Nun scheinen Chihiro und Sen zwei völlig unterschiedliche Namen zu sein, doch wenn man die Schriftzeichen vor Augen hat, dann erkennt man, dass Yubaba lediglich das Zeichen "hiro" entfernt hat. Das verbleibende Zeichen kann man sowohl als "chi" als auch als "sen" lesen. Für Japaner ein spannendes Wortspiel, für den durchschnittlichen deutschen Zuschauer leider undurchschaubar, da es auch im Film selbst nicht richtig erklärt wird.

Foto von Jiufen (Taiwan)
Vorbildfunktion: Der Ortsteil Jiufen der taiwanesischen Stadt Ruifang stand Modell für den Geisterpark, in dem Chihiro landet. • Quelle: Wikipedia, Lizenz: Public Domain

International verständlich ist hingegen die Umweltbotschaft, die im Film steckt. Eines Tages wälzt sich nämlich ein gewaltiger stinkender Schlammklops auf das Badehaus zu. Die Bediensteten sind in heller Aufregung, weil sie glauben, dass ein Faulgott kommt. Die unliebsame Aufgabe, diesen mehr als schmutzigen Gast zu behandeln, fällt natürlich auf Sen. Während sie den Faulgott abduscht, fällt Sen allerdings auf, dass eine Art Stachel in seiner Schlammhaut steckt. Sie zieht daran und zieht damit quasi den Stöpsel. Angefangen mit einem alten Fahrrad, sprudelt aller möglicher Müll aus dem Schlamm heraus - und am Ende stellt sich heraus, dass der Gast gar kein Faulgott war, sondern ein Flussgeist. Die Botschaft der vom Menschen verschmutzten Flüsse, Seen und Meere ist eindeutig erkennbar!

Zuletzt bleibt zu erwähnen, dass Chihiros Reise ins Zauberland beinahe gar nicht entstanden wäre. Hayao Miyazaki wollte sich nämlich bereits nach Prinzessin Mononoke zur Ruhe setzen - dieser kam 1997 heraus. Tatsächlich machte Miyazaki dann aber noch bis 2013 weiter. Damals, im Jahr 1997, war Miyazakis Ansporn, mit Filmen weiter zu machen und vor allem Chihiro zu produzieren, dass er jungen Mädchen Mut machen wollte, das Leben zu meistern. Ausschlaggebend waren die Töchter von Freunden, die "von Herzen gut, aber auch schwach" waren - das verriet Miyazaki im Jahr 2003 in einem Interview mit dem Spiegel.

Vorlage für den Geisterpark war übrigens der Ortsteil Jiufen der taiwanesischen 40.000-Einwohner-Stadt Ruifang.


Die Legende von Prinzessin Kaguya

Mit Die Legende der Prinzessin Kaguya ist am 20. November 2014 ein neuer Film aus dem Studio Ghibli in den deutschen Kinos gestartet. In Japan lief der Film unter dem Titel Kaguya-hime no Monogatari bereits am 23. November 2013, also knapp ein Jahr zuvor, an. Regie führte Isao Takahata, der damit seine insgesamt fünfte Regie-Arbeit für das Studio Ghibli abliefert, und die erste seit 14 Jahren. Dazu muss man auch sagen, dass die Produktion des Films viel Zeit in Anspruch genommen hat: Die handgezeichneten Bilder für das knapp 2 ½-stündige Meisterwerk kosteten insgesamt acht Jahre Arbeit, und das Ergebnis wirkt besser als jeder schnell hingeklickte 3D-Animationsfilm.

Screenshot aus Die Legende von Prinzessin Kaguya
Aus Bambus geboren: Ein Bambussammler findet das Mädchen in einer riesigen Blüte. Der märchenhafte Film ist im Stil alter japanischer Gemälde gezeichnet.

Es handelt sich bei Die Legende der Prinzessin Kaguya um eine Verfilmung des japanischen Märchens Taketori Monogatari, was übersetzt so viel wie Die Geschichte vom Bambussammler bedeutet. Die Handlung ist in Kurzfassung schnell erzählt: Ein Bambussammler findet eines Tages in einer großen Bambusblüte ein kleines Kind, das er als ein Geschenk des Himmels ansieht. Er und seine Frau ziehen das Mädchen auf, und die Kleine freundet sich schnell mit den Kindern der umliegenden Höfe an - mit Sutemaru findet sie sogar ihre erste Liebe. Da das Mädchen allerdings deutlich schneller wächst als ihre Altersgenossen, wird sie von allen nur liebevoll "Kleiner Bambus" genannt. Das Leben ist idyllisch, doch als der Bambussammler im Lauf der Zeit in weiteren Bambusstämmen große Mengen Gold und später sogar feinste Seide findet, sieht er das als einen Befehl von oben an: Das Kind muss eine Prinzessin sein, und eine Prinzessin darf nicht in ärmlichen Verhältnissen auf einem Bauernhof leben! Gegen ihren Willen wird Kleiner Bambus von ihren Eltern in einen Palast in der Hauptstadt gebracht, den ihr Vater mit dem gefundenen Gold gekauft hat, und von nun an heißt sie Prinzessin Kaguya. Obwohl von nun an hohe Fürsten anfangen, um ihre Hand anzuhalten, ist Prinzessin Kaguya mit ihrem neuen Leben alles andere als glücklich, und so schickt sie unterbewusst einen Hilferuf an ihre alte Heimat: Den Mond!

Das Märchen stammt aus der Zeit um 900 und gehört zum festen Kulturgut Japans. Da wundert es wenig, dass die Geschichte in diversen Animes, Mangas und Games angesprochen wird, wenn auch meist nur sehr frei. Dazu gehört auch Sailor Moon: Der zweite Film zur Serie heißt nicht ohne Grund Schneeprinzessin Kaguya. So wird nämlich ein vermeintlicher Komet, der auf die Erde zu rast, getauft, nachdem der Astrologe sich an das Märchen von Prinzessin Kaguya erinnert. Im Original heißt der Film allerdings Kaguya hime no Koibito, was in Wirklichkeit so viel wie "Der Liebhaber von Prinzessin Kaguya" bedeutet.

 

Screenshot aus Die Königin der 1000 Jahre

Märchenhafte Zukunft: Die alte Serie Die Königin der 1000 Jahre verlegt die Handlung der Legende ins Jahr 1999, das damals noch Zukunftsmusik war.

Screenshot aus Touhou 8 - Imperishable Night

Kampf der Bambusschneiderin: In dem Bullet-Hell-Shouter Touhou 8 - Imperishable Night tritt Prinzessin Kaguya als Endboss auf.

 

Auch in Inu Yasha werden Elemente aus dem Märchen entliehen, und die alte Anime-Serie Die Königin der 1000 Jahre verlegt die Handlung der Legende in die Zukunft. In der Anime-Serie Ayashi no Ceres spielen die wiedergeborenen Hauptpersonen des Märchens die Hauptrolle, und in dem Bullet-Hell-Shooter Touhou 8 - Imperishable Night tritt Prinzessin Kaguya unter dem Namen Kaguya Houraisan als Gegnerin auf.

Der Film Die Legende der Prinzessin Kaguya ist nun kein freies Zitat, sondern eine originalgetreue Verfilmung des Märchens - und das lässt sich Zeit zum Erzählen, der Film ist immerhin 137 Minuten lang! Obwohl wenig Action enthalten ist, kommt in dieser Zeit keine Langeweile auf: Dafür sorgen die wunderschönen Zeichnungen im Stil alter japanischer Gemälde, die traditionell angehauchte Musik von Joe Hisaishi und die behutsam erzählte Handlung.

Regisseur Isao Takahata machte bereits früher mit Meisterwerken wie Die letzten Glühwürmchen von sich reden, weitere Filme von ihm sind etwa Meine Nachbarn, die Yamadas oder Pom Poko. Vor seiner Zeit beim Studio Ghibli produzierte er Fernsehserien, die viele von uns bereits als Kinder genossen haben. Dazu zählt nicht nur der ZDF-Dauerbrenner Heidi, sondern auch Niklaas, der Junge aus Flandern, Marco, Anne mit den roten Haaren und Perrine.


World Masterpiece Theater

Beim World Masterpiece Theater, auch kurz WMT genannt, handelt es sich um eine Serie von mehreren Animeserien, die gemeinsam haben, dass sie jeweils auf einem großen europäischen Roman basieren - gut, später gibt es Ausnahmen wie etwa Tico, ein toller Freund, aber das sind Ausnahmen. Die erste WMT-Serie war Heidi im Jahr 1974, und ursprünglich liefen die WMT-Serien immer genau ein Jahr lang, von Januar bis Dezember - im folgenden Januar kam dann die nächste Serie auf dem gleichen Sendeplatz. Deshalb haben die frühen WMT-Serien alle knapp über 50 Folgen, allerdings kam es später immer häufiger vor, dass die Ausstrahlung ein paar Wochen pausierte. Von der vorerst letzten WMT-Serie Ie Naki Ko Remi aus dem Jahr 1997, die es gar nicht mehr bis nach Deutschland schaffte, wurden nur noch 23 Folgen gezeigt, dann pausierte das World Masterpiece Theater für zehn Jahre. Ab 2007 gab es mit drei neuen Serien ein Revival, diese haben es aber ebenfalls alle drei noch nicht nach Deutschland geschafft.

Dabei sah am Anfang alles viel rosiger aus: Die erste WMT-Serie Heidi von 1974 war eine Co-Produktion mit dem ZDF und wurde bei uns schon viel häufiger wiederholt als in Japan. Bis heute läuft die Serie regelmäßig im ZDF, im Ki.Ka und auf Junior. Das ist aber noch nicht alles: All die Generationen, die bei uns mit Heidi aufgewachsen sind, haben so unbewusst auch ein Werk bedeutender Anime-Größen genossen: Regie bei Heidi führte niemand geringeres als Isao Takahata, der später auch noch die WMT-Serien Marco und Anne mit den roten Haaren produzierte und heute beim Studio Ghibli tätig ist, wo er für Meisterwerke wie Die letzten Glühwürmchen verantwortlich ist. Der zweite große Ghibli-Regisseur Hayao Miyazaki, dem wir u.a. Mein Nachbar Totoro, Prinzessin Mononoke und Chihiros Reise ins Zauberland verdanken, hat an Heidi ebenfalls mitgewirkt, allerdings als Zeichner.

 

Screenshot aus Heidi

Dort in den hohen Bergen lebt eine kleine Maid: Heidi ist die erste und mit Abstand bekannteste Serie des World Masterpiece Theater.

Screenshot aus Lucy in Australien

Verschollen: Lucy in Australien wurde bis 1992 auf Tele 5 gezeigt und seither nicht mehr im deutschen Fernsehen gesichtet.

 

Eine solch schön strukturierte Ausstrahlung wie in Japan durften die WMT-Serien bei uns allerdings nicht genießen. Die ersten Serien liefen recht zuverlässig im ZDF, allerdings zu unregelmäßigen Zeiten. Später kam es auch öfters vor, dass Sat.1, Tele 5 oder RTL II zuschlugen, und die Serie Shokoshi Cedie von 1988 nach dem Roman Der kleine Lord wurde bei uns leider komplett übersprungen. Andere Serien wie Daddy Langbein wurden bei uns zwar ausgestrahlt, aber nicht komplett. Und Die schwarzen Brüder lief ausschließlich im Pay TV. Heute laufen leider, abgesehen von Dauerbrennern wie Heidi, so gut wie keine WMT-Serien mehr in deutschen Fernsehen, offenbar sind sie einfach nicht mehr zeitgemäß. Manche Klassiker wie Niklaas, der Junge aus Flandern oder Marco wurden in den letzten Jahren auf Junior und Anixe wiederholt, manche sind auch auf DVD zu kriegen - einige Serien haben sich aber auch zu richtigen Raritäten entwickelt. Dazu zählt etwa Lucy in Australien: Die Serie nach dem Roman Southern Rainbow von Phyllis Piddington wurde bei uns ab 1988 auf Tele 5 gezeigt, aber seit dem Aus des Senders im Jahr 1992 nicht mehr gesichtet, auch ein DVD-Release ist nicht abzusehen. Die Serie kann man wohl wirklich fast als verschollen ansehen - klar gibt's noch die eine oder andere Privataufnahme, aber offiziell wird man womöglich nie mehr an die Serie herankommen.

Produziert wird das World Masterpiece Theater übrigens von Nippon Animation. Das Studio wurde offiziell 1975 gegründet und ging aus dem Vorgängerstudio Zuiyo Enterprise hevor. In den 70er Jahren produzierte Nippon Animation einige Co-Produktionen mit dem ZDF, namentlich Wickie, Biene Maja, Pinocchio sowie Alice im Wunderland, und diese Serien dürften sicher ein Mitgrund für den Start des World Masterpiece Theater gewesen sein, da sie nicht nur in Deutschland, sondern auch in Japan sehr erfolgreich waren. Die alten europäischen Romane hatten sich also als ein guter Stoff für Animeserien bewiesen. Eine weitere bekannte Serie von Nippon Animation abseits der ZDF-Co-Produktionen und abseits des World Masterpiece Theater ist übrigens Hunter X Hunter.


Marco

Marco stammt aus dem Jahr 1976 und heißt im Original Haha o Tazunete Sanzen Ri, was übersetzt so viel wie "3000 Meilen auf der Suche nach Mutter" bedeutet. Die 52-teilige Serie basiert auf der Kurzgeschichte Von den Apenninen zu den Anden aus dem episodenhaft aufgebauten Roman Cuore von Edmondo De Amicis. Übrigens wurde Cuore im Jahr 1981 auch komplett als Anime verfilmt, ebenfalls von Nippon Animation, hier wurde die Geschichte von Marco allerdings in nur zwei Folgen zusammengefasst. Und diese Cuore-Serie war in Deutschland bisher nicht zu sehen, sie ist aber auch nicht Teil des World Masterpiece Theater.

Die bekanntere Serie Marco lief hingegen bei uns zum ersten Mal im Jahr 1980 auf Bayern 3. Das deutsche Titellied sangen Gitti & Erika, die zuvor schon mit dem Heidi-Opening einen Hitparaden-Erfolg verbuchen konnten. Damals war es generell noch üblich, dass die Anime-Intros von großen Schlager-Stars gesungen wurden, genauso wie sich auch in Japan bekannte J-Pop-Gruppen um die Openings kümmern. Regie bei Marco führte Isao Takahata, die japanische Erstausstrahlung begann am 4. Januar 1976.

Screenshot aus Marco (1)   Screenshot aus Marco (2)
Kleiner Junge, großes Abenteuer: Die Geschichte von Marco auf der Suche nach seiner Mutter entstand unter der Regie von Ghibli-Größe Isao Takahata.

Marco ist ein kleiner Junge, der mit seiner Familie Ende des 19. Jahrhunderts im italienischen Genua lebt - die Stadt gibt es wirklich, sie liegt in Nordwest-Italien und hat heute 600.000 Einwohner. Der Familie geht es finanziell schlecht, deshalb zieht die Mutter nach Argentinien, um dort Geld zu machen, das sie der Familie regelmäßig nach Hause schickt. Zudem steht die Mutter in stetigem Briefkontakt mit ihrer Familie, doch eines Tages bricht die Kommunikation abrupt ab. Während Marcos Vater und sein älterer Bruder Tonio die Ruhe bewahren, beginnt Marco selbst, sich große Sorgen zu machen - und die gehen so weit, dass er schließlich auf eigene Faust nach Argentinien aufbricht, um seine Mutter zu suchen. Teilweise Unterstützung hat er dabei von dem fahrenden Puppenspieler Pepe und seiner Tochter Violetta, mit der sich Marco angefreundet hat. Trotzdem wird die Reise für Marco lang und schwierig und ist von vielen Schicksalsschlägen begleitet. Gerade das macht die Serie aber, obwohl sie fast völlig ohne Action auskommt, sehr spannend, da man immer mit dem kleinen Jungen mitfiebert, ob er wohl weiterkommt und wohin es ihn als nächstes verschlägt.

Die ganze Serie ist auch auf DVD zu kaufen. Außerdem wurde sie 1999 in Form eines Kinofilms, aber mit gleichem Charakter-Design neu produziert, der Film schaffte es allerdings nicht nach Deutschland. Dafür produzierte das ZDF aber zu Weihnachten 1991 eine 6-teilige Realverfilmung unter dem Titel Marco - Über Meere und Berge.

Genova-Castello d'Albertis-panorama
Marcos Heimat: So sieht die italienische Hafenstadt Genua tatsächlich aus • Foto: Genova-Castello d'Albertis-panorama von Rinina25 & Twice25, Lizenz: Creative Commons BY-SA 2.5

Der Autor der Buchvorlage, Edmondo De Amicis, wurde im Jahr 1846 in Imperia geboren, das tatsächlich nicht weit von Genua entfernt liegt. Sein Erfolgsroman Cuore erschien zum ersten Mal 1886, die erste deutsche Ausgabe folge 1894, damals noch unter dem Titel Herz. Die heutige Neuauflage trägt den Untertitel Eine Kindheit vor 100 Jahren, aus damaliger Sicht ist die Geschichte aber in der Gegenwart angesiedelt. Erzählt wird ein typisches Schuljahr eines italienischen Arbeiterjungen aus der Sicht des Schülers. Das Buch setzt sich aus mehreren Kurzgeschichten zusammen, die zwar weitgehend voneinander unabhängig sind, aber doch ein wenig aufeinander aufbauen. Eingestreut sich auch einige größere Erzählungen, eben beispielsweise die Geschichte von Marco, wobei es sich hierbei um die Erzählungen des Monats handelt, die die Lehrerin einmal im Monat ihrer Klasse vorliest.

Edmondo De Amicis ist im Jahr 1908 verstorben, und weil das über 70 Jahre her ist, sind seine Texte heute gemeinfrei und dürften von jedem weitergegeben werden. Entsprechend ist natürlich auch Cuore schon ganz legal im Internet gelandet, die deutsche Version findet sich im Internet Archive.


Bildnachweis: Alle Screenshots in diesem Artikel sind selbst erstellt. Das Copyright liegt bei den Rechteinhabern der jeweiligen Filme, Serien und Spiele.
Chihiros Reise ins Zauberland, Die Legende von Prinzessin Kaguya, Die letzten Glühwürmchen, Das Schloss im Himmel, Wie der Wind sich hebt: © Studio Ghibli, Heidi, Lucy in Australien, Marco: © Nippon Animation Company Ltd., Zuiyo Enterprise, Die Königin der 1000 Jahre (Queen Millennia): © Leiji Matsumoto, Toei Animation, Nausicaä aus dem Tal der Winde: © Tokuma Shoten, Topcraft, Toei Animation, Sanzoku no Musume Ronia: © Polygon Pictures, Studio Ghibli, Touhou 8 - Imperishable Night: © Team Shanghai Alice


Erstellt am 08.03.2016 • Letzte Änderung: 18.05.2022 • ImpressumDatenschutzCookie-EinstellungenNach oben