RARE Heute sprechen wir über kein spezifisches Spiel oder eine Spielereihe, sondern über ein ganzes Entwicklungsstudio. Und zwar über ein "seltenes" Entwicklungsstudio, zumindest dem Namen zufolge. Die Rede ist nämlich von Rare! Rare ist ansässig im englischen Twycross, ein kleines Dorf, recht genau in der Mitte zwischen Birmingham und Leicester gelegen. Die Firma wurde 1985 von Tim und Chris Stamper gegründet. Beide hatten zuvor bereits leitende Rollen bei Ashby Computers and Graphics Limited, die Spiele für die damaligen Heimcomputer entwickelt hatten. Rare sollte sich nun mehr auf Spielkonsolen konzentrieren, in den ersten Jahren entstanden die Spiele vorwiegend für das NES. In den ersten Jahren entwickelte Rare NES-Spiele wie am Fließband, die dennoch qualitativ überzeugen konnten und durchaus erfolgreich waren. Nicht wenige davon waren Lizenztitel, wie "Glücksrad", "Jeopardy!", "Sesamstraße" oder "Roger Rabbit". Gleichzeitig entstanden aber auch beachtliche Eigenmarken. Davon ist besonders "Battletoads" nennenswert, eine Art Mischung aus Prügelspiel und Platformer, die sich ähnlich wie die damaligen "Turtles"-Spiele anfühlt, nur mit Kröten statt Schildkröten. Das Spiel erschien erstmals 1991 für NES und Sega Megadrive, später gab es noch Umsetzungen für weitere Konsolen und Heimcomputer. Nach dem Erfolg von "Battletoads" ging Rare ein wenig vom Gas, denn die ersten 16-Bit-Konsolen, wie das Super Nintendo, standen in den Startlöchern, und die Firma wollte sich dahingehend neu orientieren. Zu dieser Zeit kaufte auch Nintendo selbst 49 % der Firma, so dass Rare seitdem für die nächsten Jahre ausschließlich für Nintendo-Konsolen entwickelte und auch bekannte Nintendo-Charaktere nutzen durfte. Das erste Spiel, das dieser Zusammenarbeit entsprang, war "Donkey Kong Country", erschienen pünktlich zum Weihnachtsgeschäft 1994 für das Super Nintendo. Vor allem grafisch schlug das Affentheater ein wie eine Bombe: Rare hatte eine Technik entwickelt, die es ermöglichte, 3D-vorgerenderte Modelle auf dem Super Nintendo darzustellen - im Ergebnis kam ein Jump'n'Run heraus, das optisch alles, was man auf der 16-Bit-Konsole bisher gesehen hatte, in den Schatten stellte, und obendrein taugte es auch noch spielerisch etwas. Rare hatte sich spätestens jetzt unter den Nintendo-Fans bewiesen! Bis 1996 folgten noch zwei Fortsetzungen von "Donkey Kong Country", dann kam das Nintendo 64 auf, und hier hatte Rare seine ganz große Glanzzeit. Natürlich wurden weitere erfolgreiche Affenspiele umgesetzt, wie "Donkey Kong 64" oder auch "Diddy Kong Racing" mit Donkey Kongs kleinem Schimpansen-Freund Diddy in der Titelrolle: Ein Rennspiel, das tatsächlich vielfach besser als sein direkter Konkurrent "Mario Kart 64" bewertet wurde. Gleichzeitig entwickelte Rare auf dem Nintendo 64 auch zahlreiche legendäre Eigenmarken, und da muss ganz vorne "Banjo Kazooie" genannt werden: Das Hüpfspiel mit Bär und Möve im Doppelpack schwimmt erfolgreich im Fahrwasser von "Super Mario 64" mit und besticht dabei mit gelungenem Humor, der sich vor allem in äußerst schrägen Sprüchen diverser Charaktere abbildet. Ach ja, eure Aufgabe ist es übrigens, Banjos Schwester Tooty aus den Fängen der Hexe Gruntilda zu befreien - die ist nämlich potthässlich und möchte deshalb Tootys Schönheit stehlen. Ein ebenso erfolgreicher 3D-Platformer war auch "Conker's Bad Fur Day", doch von dem niedlichen Eichhörnchen dürfen sich Eltern nicht täuschen lassen, denn Conker ist versoffen und verdorben. Auf der letzten Party hat er wohl etwas zu tief ins Glas geschaut, denn jetzt findet er prompt den Heimweg nicht mehr, und ihr als Spieler dürft dieses Problem lösen. Auch Lizenzspiele wurden auf dem Nintendo 64 erfolgreich umgesetzt, darunter ein Shooter mit James Bond, basierend auf dem damals aktuellen Film "Goldeneye". Seinen geistigen Nachfolger fand dieses Spiel drei Jahre später mit "Perfect Dark". Rares letztes Spiel für eine Nintendo-Heimkonsole war im Jahr 2002 "Star Fox Adventures" für den Gamecube. Danach folgte so ein Fall, wo Nintendo eine große Chance ungenutzt vorbeiziehen ließ. Ihr erinnert euch, Nintendo besaß schon 49 % von Rare. Nun standen die restlichen 51 % zum Verkauf, und Nintendo schlug trotz Vorkaufsrecht nicht zu. Stattdessen überboten sich Activision und Microsoft gegenseitig, bis Microsoft schließlich den Zuschlag bekam und die Firma für 375 Millionen Dollar schließlich ganz übernehmen konnte. Nintendo rettete immerhin die von Rare entwickelten "Donkey Kong"-Charaktere wie Diddy Kong, Dixie Kong und King K. Rool. Aber Banjo, Conker, Joanna Dark und Co. zogen mit um zu Microsoft. Zwar entwickelte Rare Mitte der 2000er Jahre noch einige Spiele für die Nintendo-Handhelds, darunter Ports der "Donkey Kong Country"-Reihe für den Game Boy Advance, im Heimkonsolen-Bereich bediente Rare jetzt allerdings ausschließlich die Xbox. Zunächst entstanden mit "Conker: Live & Reloaded", "Perfect Dark Zero" oder "Banjo Kazooie: Schraube locker" noch Fortsetzungen der Erfolge aus Nintendo-Zeiten - einige davon waren ursprünglich noch für den Gamecube geplant gewesen und erschienen eben jetzt für die Xbox bzw. Xbox 360. Das Ende begann ab etwa Ende 2006: Rare hatte gerade "Viva Pinata" veröffentlicht, eine Art Lebenssimulation, in der es darum geht, merkwürdige Tierwesen - die titelgebenden Pinatas - miteinander zu verkuppeln. Das Ganze wurde übrigens auch als Anime umgesetzt, der es sogar bis nach Deutschland ins Anime-Programm von RTL II schaffte. Kurz nach der Veröffentlichung von "Viva Pinata" verließen die beiden Urgesteine Tim und Chris Stamper die Firma. Ein Nachfolger von "Viva Pinata" floppte, ebenso wie "Banjo Kazooie: Schraube locker" aus dem Jahr 2008. Das Studio schrumpfte, viele langjährige Mitarbeiter mussten entlassen werden. Die Überreste von Rare waren nun für die Kinect-Spiele zuständig, nette Party-Games mit Kamera und Bewegungssteuerung. Allerdings war Kinect kein solcher Bombenerfolg wie wenige Jahre zuvor Nintendos Wii, und wurde inzwischen wieder eingestellt. Weitere Mitarbeiter mussten gehen, diese schlossen sich zusammen und gründeten Playtronic Games. Sie machten sich vor allem mit "Yooka Laylee" einen Namen, dem geistigen Nachfolger von "Banjo Kazooie", der 2017 zunächst für Xbox One und Playstation 4 erschien, und Monate später endlich auch noch für die Switch. Dieses Spiel fühlt sich tatsächlich an wie ein gutes altes "Banjo Kazooie" von damals - also genau das, worauf die Kinder der N64-Zeit lange warten mussten! Nichtsdestotrotz erinnerte auch Rare selbst an vergangene Tage: 2015 erschien zum 30-jährigen Firmen-Jubiläum exklusiv für die Xbox One die Spielesammlung "Rare Replay", die 30 wichtige Rare-Klassiker aus allen zeitlichen Epochen vereint. Das einzige, was fehlt, sind wenig überraschend die Spiele mit Nintendos Marken, also in erster Linie die "Donkey Kong Country"-Reihe. Sollte aber jemals ein "Rare Replay" für die Switch erscheinen, dann dürften diese ziemlich sicher dabei sein! Und ganz so abwegig scheint das nicht mehr, denn Nintendo und Microsoft verstehen sich aktuell recht gut. In wenigen Wochen werden Banjo und Kazooie als DLC-Kämpfer in "Super Smash Bros. Ultimate" Einzug erhalten, und sogar der Xbox-Live-Service soll auf die Switch kommen! Rares bislang letztes eigenes Spiel (und das erste seit "Rare Replay" drei Jahre zuvor) erschien am 20. März 2018 für Xbox One und den PC: "Sea of Thieves" ist ein MMO-Action-Adventure in einem Piraten-Setting und läuft gar nicht mal so erfolglos. Bleibt abzuwarten, wie sich die Partnerschaft von Nintendo und Microsoft weiter entwickelt und ob uns vielleicht doch mal wieder neue Rare-Spiele auf einer Nintendo-Konsole erwarten. Bis dahin macht man es eben wie Chiko und kauft sich extra für "Rare Replay" eine Xbox One.