PORTAL - THE UNCOOPERATIVE CAKE ACQUISITION GAME Oft werden erfolgreiche Brettspiele digital umgesetzt und können mal mehr, mal weniger gut gegen den Computer oder gegen Online-Freunde am Bildschirm gezockt werden. Nicht ganz so häufig ist der umgekehrte Weg, dass erfolgreiche Computerspiele zu Gesellschaftsspielen werden. So gab es früher beispielsweise das Kinder-Brettspiel "Pokémon Meistertrainer" und von dem modernen Klassiker "Die Siedler von Catan" existiert in Japan eine "Mega Man"-Variante. Und jetzt, im Herbst 2015, brachte der amerikanische Hersteller Cryptozoic Entertainment eine Brettspiel-Umsetzung von "Portal" auf den Markt - mit dem Aperture-typischen Zungenbrecher-Untertitel "The Uncooperative Cake Acquisition Game". Ich selbst habe mir bereits vor über 3 1/2 Jahren, im Frühlign 2012, ein Portal-Brettspiel ausgedacht, die Regeln könnt ihr in Ausgabe 4 des Portal-Magazins nachlesen. Als zwei Jahre später, im Frühling 2014, das offizielle Portal-Brettspiel erstmals angekündigt wurde, war ich freilich umso gespannter, wie die offizielle Seite mit der gleichen Grundidee umgesehen würde. Bis das Spiel aber wirklich erschien, musste ich von da ab noch 1 1/2 Jahre warten - aus dem angedachten Release im vierten Quartal 2014 wurde schließlich der 23. September 2015. Aber besser spät als nie! Das Portal-Brettspiel ist für zwei bis vier Spieler geeignet, bietet aber - anders als ursprünglich angekündigt - keinen Pseudo-Coop-Modus, sondern ist doch ein klassisches "jeder gegen jeden", was aber dem Spielprinzip nicht schlecht tut. Ziel ist es, möglichst viele Kuchenstücke in der Teststrecke anzusammeln, gleichzeitig aber auch darauf zu achten, dass die eigenen Bendys nicht hops gehen. Kuchenstücke oder andere Belohnungen erhaltet ihr, wenn ihr mehr Bendys als eure Mitspieler in den Testkammern am rechten Rand des Spielplans ansammeln. Das Risiko dabei ist, dass in den Testkammern am rechten Rand (in der Spielsprache: "old edge of the laboratory") jederzeit GLaDOS auftauchen kann. Passiert das, löst sich die betroffene Testkammern in Wohlgefallen auf, was für alle dort befindlichen Bendys ein sofortiges Ableben bedeutet. Habt ein Spieler keine Bendys mehr übrig, ist das eine Endbedingung für das Spiel - was jedoch nicht automatisch bedeutet, dass der betroffene Spieler verloren hat! Um hier richtig kalkulieren zu können, benötigt ihr aber ein ordentliches Maß an Taktik, gewürzt mit einer Prise Schadenfreude. Hat man die Regeln und ihre Feinheiten verinnerlicht, dauert eine Runde "Portal" etwa 30 bis 45 Minuten, so dass im Lauf eines ausgedehnten Spieleabends auch durchaus mehrere Partien möglich sind. Für den nötigen Wiederspielwert sorgt die Tatsache, dass der Spielplan variabel ist. Die Teststrecke wird also niemals so aussehen wie beim vorherigen Spiel, jede neue Runde bietet eine veränderte Ausgangssituation - mit dieser Idee konnte bereits "Die Siedler von Catan" zurecht punkten, und auch "Portal" bekommt dadurch das gewisse Etwas. Kurzum: Aus spielerischer Sicht hat uns das "Uncooperative Cake Acquisition Game" auf Anhieb überzeugt. Doch das ist eigentlich nur die halbe Miete, denn das Auge spielt ja mit. Allerdings punktet "Portal" auch aus optischer Sicht: Natürlich sind die einzelnen Testkammern nur sechseckige bedruckte Pappscheiben, aber ganz ehrlich: Wie soll man so etwas anders umsetzen? Auch GLaDOS liegt leider nur als Pappständer bei, dafür sind alle anderen Testelemente aber sehr detailliert und liebevoll modelliert. Bereits die Bendys und Kuchenstücke wissen zu überzeugen, am besten gelungen sind aber zweifellos der Begleiterkubus (der trotz seiner Form übrigens nicht als Würfel dient) und vor allem der kleine Geschützturm. So lange er nur am Spielfeldrand herumsteht, werdet ihr ihn lieben. Erscheint er dann in einer Testkammern und vernichtet dort alle eure Bendys, werdet ihr ihn schnell hassen - aber nur, um ihn wenige Augenblicke später doch wieder ins Herz zu schließen, weil er einfach so liebenswert aussieht. Der einige Wermutstropfen: Bis jetzt ist das Portal-Brettspiel lediglich in den USA erschienen. Ein deutscher Release wurde noch nicht angekündigt, wir persönlich rechnen auch nicht damit. Abgesehen von der Hürde des Imports sollten daher alle potentielle Mitspieler zumindest über grundlegende Englisch-Kenntnisse verfügen, um die Kartentexte verstehen zu können. Ist das aber der Fall, dann steht einem spaßigen Spieleabend in den Laboren von Aperture Science nichts im Wege. In diesem Sinne: The cake is a lie!