POKÉMON REISEN Am 1. Juli kommt die aktuelle Pokémon-Staffel mit dem Titel "Pokémon Reisen" auf Netflix. Das nehme ich zum Anlass, um euch heute einmal einen Überblick über diese Staffel zu geben, denn sie ist doch sehr frisch und anders. Ich selbst beispielsweise habe die große Pokémon-Serie nur in den ersten beiden Generationen lückenlos mitverfolgt. Dann habe ich immer mehr Folgen ausgelassen - und irgendwann die Serie quasi gar nicht mehr geschaut, nur noch ein paar vereinzelte Episoden. "Pokémon Reisen" hab ich aber in den letzten Wochen komplett durchgesuchtet, und es hat mir richtig gut gefallen. Stellt sich also die Frage: Warum? Beginnen wir am Anfang: "Pokémon Reisen" startete in Japan am 17. November 2019, zwei Tage nach dem Release von "Pokémon Schwert & Schild". Tatsächlich ist "Pokémon Reisen" nämlich die offizielle Anime-Adaption der 8. Generation. Das bedeutete aber nicht, dass Ash die Region Galar von unten nach oben abgrast und Arena-Orden sammelt, sondern die Protagonisten düsen um die ganze Welt und erleben kleinere Abenteuer in allen Regionen - daher der Titel "Pokémon Reisen", weil so viel gereist wird! In der ersten Episode sehen wir zunächst einmal die Vorgeschichte von Ashs Pikachu, das noch als kleines Pichu von Kangamas aufgezogen wurde. In der gleichen Folge lernen wir auch einen ehrgeizigen jungen Trainer mit Namen Goh kennen, der während seines Besuchs in einem von Professor Eich organisierten Sommercamp ein Mew sieht und sich daraufhin in den Kopf setzt, dieses mysteriöse Pokémon eines Tages wiederzusehen und zu fangen. In der zweiten Episode, ein paar Jahre später, beginnen Ash und Goh ihren neuen Job als wissenschaftliche Assistenten im Labor von Professor Kirsch in Orania City. Professor Kirsch erforscht, wo auf der Welt spezielle Pokémon-Vorkommnisse stattfinden: Wenn er etwas gefunden hat, das interessant klingt, dann schickt er Ash und Goh an den Ort des Geschehens, um sich die Sache aus der Nähe anzusehen. Dabei ist kein Ort zu weit weg, sprich: Nach und nach bekommen Ash und Goh alle Regionen zu Gesicht, von Kanto bis Galar und alles dazwischen. In Japan, wo die Pokémon-Serie nicht in Staffeln unterteilt wird, sondern jede Generation eine eigenständige Serie ist, heißt "Pokémon Reisen" wieder "Pocket Monsters", genau wie die allererste Pokémon-Serie von vor beinahe 25 Jahren. Das - und auch die Tatsache, dass wir am Ende der ersten Folge noch einmal kurz sehen, wie Ash sein Pikachu erhält - lässt durchaus den Eindruck entstehen, "Pokémon Reisen" sei ein Reboot und würde eine ganz neue Geschichte von Anfang an erzählen. Dem ist zwar nicht so, aber ich vermute doch, dass es ursprünglich so geplant war, dann jedoch nach wenigen Episoden umgedacht wurde. Anfangs scheint Ash nämlich null Erinnerungen an seine bisherigen Abenteuer zu haben - doch im Lauf der Staffel kehrt das Gedächtnis zurück und er erinnert sich sehr gut an die Pokémon, Menschen und Orte, die er schon kennengelernt hat. Wie gesagt, "Pokémon Reisen" schreibt Abwechslung groß, da Ash und Goh nicht stur durch Galar ziehen, sondern die verschiedensten Regionen bereisen. Und mit zur Abwechslung trägt sogar Team Rocket bei. Hoch ist den Drehbuchautoren anzurechnen, dass Team Rocket gar nicht mehr mit Gewalt in jede Folge rein gequetscht wird: Ja, es gibt Jessie, James und Mauzi zwar generell noch, es gibt aber durchaus einige Episoden, in denen sie gar nicht auftreten - und gerade diese Folgen sind erfrischend anders, weil sie nicht immer nach dem gleichen Schema ablaufen. Und selbst, wenn Team Rocket doch mal auftaucht, dann sind die Kämpfe nicht immer gleich. Jessie und James haben nämlich keine eigenen Pokémon mehr, mit Ausnahme von Mauzi und ihrem Running Gag Woingenau, die aber beide nicht zum Kämpfen eingesetzt werden. Immer, wenn ein Kampf ansteht, lassen die Gauner sich von einem Pelipper einen Glücksspielautomaten aus dem Team-Rocket-Hauptquartier liefern - daraus ziehen sie dann zwei zufällige Pokémon, wodurch selbst diese Kämpfe viel abwechslungsreicher werden, zumal auch die Team-Rocket-Pokémon teilweise ihre ganz eigenen Marotten an den Tag legen. Aber auch, wenn Ash und Goh zwar im Grunde als wissenschaftliche Assistenten für Professor Kirsch arbeiten, heißt das natürlich nicht, dass sie keine eigenen Ziele verfolgen. Goh möchte, wie gesagt, Mew wiedersehen, doch das heißt konkret, dass er alle Pokémon den Welt fangen möchte - und zum Abschluss dann auch noch Mew. Ash dagegen will unbedingt gegen Delion, den Champion der Galar-Region, kämpfen: Während sie einen Schaukampf in Galar besucht haben, war Ash so beeindruckt von Delions Kampfstil, dass er seitdem davon träumt, einmal selbst gegen ihn anzutreten. Deswegen schreibt sich Ash zu den so genannte Krönungs-Weltmeisterschaften ein, ein Turnier, das weltweit stattfindet und auch mal was Neues ist. Teilnehmende Trainer können sich überall auf der Welt begegnen und gegenseitig herausfordern - bei einem Sieg steigt man in der Rangliste nach oben, bei einer Niederlage rutscht man nach unten, und die Positionsveränderung ist umso deutlicher, je stärker der Gegner war. Delion steht auf Platz 1, und Ash fängt als Neuling natürlich ganz unten in der Gegend von Platz 10.000 an - und muss sich dann eben hoch arbeiten! Mir gefällt schon allein das Prinzip der Krönungs-Weltmeisterschaften. Ganz ehrlich, sowas könnte ich mir gut für ein Open-World-MMO-Pokémon-Spiel vorstellen, jeder Mitspieler ein potentieller Gegner, und man kann Hinz und Kunz herausfordern, um sich so nach und nach den Weg an die Spitze zu ebnen. Die Kämpfe dieser Krönungs-Weltmeisterschaften sind im Anime auch tatsächlich spannend umgesetzt, spannender auch als die Arena-Kämpfe in den vorherigen Staffeln, weil dort ja bisher immer irgendwie klar war, dass Ash gewinnen muss, damit die Geschichte weitergehen kann. Bei den Krönungs-Weltmeisterschaften sind nicht nur aufgrund der oft völlig unbekannten Gegner die Kämpfe an sich spannend, man weiß auch oft bis zum Schluss nicht, ob Ash das Blatt noch wenden kann oder ob er hier jetzt tatsächlich eine Niederlage einsteckt und wieder ein paar Plätze nach unten rutscht. Hinzu kommt, dass Ash sich natürlich am Anfang noch voll und ganz auf Pikachu verlässt, welches nach sieben Generationen ja locker auf Level 100 ist und einiges an Kampferfahrung gesammelt hat. Als Ash dann aber ein kleines ehrgeiziges Kampf-Pokémon in seinen Besitz bekommt, setzt er immer wieder dieses ein - was zwar die Kämpfe schwieriger macht, aber das kleine Kerlchen bekommt mehr Selbstvertrauen und wird ein wichtiges Mitglied für Ashs Team. Allerdings geht das Training mit dem neuen Kampf-Pokémon so weit, dass Pikachu sich in einer Folge sogar zurückgesetzt fühlt und schließlich davonläuft! Goh dagegen nimmt seinen Traum, jedes Pokémon zu fangen, tatsächlich ernst: Kaum eine Folge vergeht, ohne dass er nicht wenigstens ein neues Pokémon fängt. Das werden natürlich schnell zu viele, um sie alle im Team zu haben. Deshalb behält Goh nur seinen Starter Hopplo fest im Team, die anderen Team-Mitglieder wechselt er je nach Lebenslage durch. Und alle Pokémon, die Goh nicht gerade um die Welt schleppt, leben in einem Biotop im Anwesen von Professor Kirsch in Orania City. Auch dort finden sogar kleinere Abenteuer statt, in denen Gohs sämtliche Pokémon ihre Screen Time bekommen. In einer Folge verschwindet beispielsweise das Futter der Pokémon, und die Tierchen verdächtigen sich gegenseitig. Goh basiert übrigens auf dem Mobile Game "Pokémon GO". Er stammt zwar nicht selbst aus dem Spiel, ist aber von der Spielmechanik inspiriert. Das unterstreicht nicht nur sein Name: Auch die Tatsache, dass Goh so viele Pokémon schnappen will, ist sehr typisch für das Spiel. Dabei schwächt Goh die zu fangenden Pokémon auch nicht vorher, sondern wirft meist direkt einen Pokéball - manchmal sogar einen Curveball, wie man sie aus "Pokémon GO" kennt, also einen Pokéball, der einen Bogen fliegt. Auch die Raid-Kämpfe, die erstmals mit "Pokémon GO" eingeführt wurden, die später aber auch ihren Weg in "Pokémon Schwert & Schild" fanden, wurden in "Pokémon Reisen" integriert: Bereits in der zweiten Folge taucht Lugia in Orania City auf, und zahlreiche Trainer - darunter Ash und Goh - legen sämtliche Ehrfurcht der vorherigen Staffeln ab, sondern tun sich zusammen, um ihre stärksten Attacken auf das legendäre Pokémon loszulassen. Das Lugia fangen kann am Ende zwar keiner, aber ähnliche Raid-Kämpfe gibt es in späteren Folgen noch weitere. Auch Spin-offs neben den Haupt-Editionen in die Serie zu integrieren, ist ja nun nicht neu: Bereits in der ersten Staffel tauchte ja damals Todd aus "Pokémon Snap" auf, und während der dritten Generation gab es ein paar Folgen zu "Pokémon Ranger" sowie drei eigenständige Specials zu "Pokémon Mystery Dungeon". Da nun "Pokémon GO" echt erfolgreich ist, lag es also einfach nahe, auch dieses Spiel in der Serie zu verarbeiten. Doch nicht nur das, es gibt auch eine sehr witzige Folge, die auf dem Mobile Game "Karpador Jump" basiert - inklusive dem "Magikarp Song" als Insert Song in der Episode! Ein ganz besonderes Highlight ist schließlich ein Vierteiler zum Abschluss der Staffel: In insgesamt rund 80 Minuten erzählen vier Folgen am Stück die Hauptstory von "Pokémon Schwert & Schild", also das Geheimnis von Gigadynamax und was es mit der sogenannten "Finsteren Nacht" auf sich hat. Diese vier Episoden am Stück haben wahrlich die Qualität eines Kinofilms und sind mit großem Abstand das Beste, was wir seit langem in der Pokémon-Serie zu sehen bekommen haben. Wenn ihr generell Interesse an Pokémon habt, dann würde ich "Pokémon Reisen" definitiv empfehlen - auch und gerade dann, wenn euch die bisherigen Staffeln zu eintönig waren. Wie gesagt, "Pokémon Reisen" schlägt einen ganz neuen Weg ein, und mir hat es sehr gut gefallen, während mich die letzten paar Staffeln oft gelangweilt haben. Aber wo kann man "Pokémon Reisen" nun sehen? Einen DVD-Release gibt es leider noch nicht, es steht aber fast die ganze Staffel auf Pokémon TV zum kostenlosen Abruf bereit - die letzten paar Folgen fehlen noch, diese werden im wöchentlichen Abstand noch hinzugefügt. Und ab 1. Juli soll, wie gesagt, die ganze Staffel auf Netflix hinzugefügt werden. Wann es dagegen weitergeht, ist noch nicht klar: Die 23. Staffel "Pokémon Reisen" ist inzwischen mit 48 Episoden abgeschlossen. In Japan läuft "Pocket Monsters" unterdessen munter weiter, und durch Trailer wissen wir bereits, dass es u.a. ein Wiedersehen mit Ashs altem Rivalen Gary geben wird. Für den Westen ist eine 24. Staffel unter dem Titel "Pokémon Master Journeys" prinzipiell bereits angekündigt, hat allerdings noch keinen Starttermin.